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Gibt es eine Neuheitsschonfrist für Patente in Europa oder Deutschland?

Ihr habt eine großartige Erfindung gemacht und wollt diese schützen, insbesondere in Europa, aber Ihr habt die Erfindung bereits veröffentlicht? Der folgende Artikel informiert Euch über eine Neuheitsschonfrist in Deutschland, mit der Ihr Eure Erfindung – unter gewissen Voraussetzungen – in Deutschland schützen könnt.

Ein wesentliches Kriterium für die Patentierbarkeit einer Erfindung ist die Neuheit. Gemäß dem Patentrecht gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht Teil des Standes der Technik ist. Der Stand der Technik sind alle Informationen, die vor dem Anmeldetag (oder dem Prioritätstag) der Patentanmeldung bekannt sind. Das umfasst Publikationen, andere Patente, Präsentationen, Messen, Firmenbesichtigungen, die tatsächliche Nutzung der Erfindung in der Öffentlichkeit, etc. In anderen Worten gilt eine Erfindung als veröffentlicht, wenn eine unbegrenzte Anzahl von Personen potenziell Kenntnis davon erlangen konnte. Das kann bereits der Fall sein, wenn die Erfindung einer Person offenbart wird, die nicht der Geheimhaltung unterliegt. Das bedeutet insbesondere auch, dass die Entwicklung durch den Erfinder selbst nicht vor dem ersten Anmeldedatum der Patentanmeldung veröffentlicht werden darf.

Aber gibt es eine Möglichkeit, auch nach der Veröffentlichung einer Erfindung noch ein Patent zu erhalten? In einigen Ländern (z.B. in den USA) gibt es eine sogenannte Neuheitsschonfrist, typischerweise zwischen 6 und 12 Monaten, innerhalb derer eine Erfindung auch nach ihrer Veröffentlichung noch geschützt werden kann.  Das deutsche und europäische Patentrecht sieht jedoch generell keine solche Möglichkeit vor.

Es gibt eine erste Ausnahme von dieser allgemeinen Regel: Nach Art. 55 (2) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) und dem entsprechenden § 3 Abs. 5 Nr. 2 des deutschen Patentgesetzes gibt es eine 6-monatige Neuheitsschonfrist. Diese gilt für alle Veröffentlichungen, die auf der Ausstellung der Erfindung auf bestimmten internationalen Messen (z.B. typischerweise der “Weltausstellung”) basieren. Nach unserer Erfahrung ist diese Bestimmung allerdings nicht besonders relevant.

Es gibt jedoch eine weitere Möglichkeit, Erfindungen zumindest in Deutschland auch dann zu schützen, wenn sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden: Das deutsche Gebrauchsmuster. Das Gebrauchsmuster ist ein weiteres Schutzrecht für technische Erfindungen, das eine Neuheitsschonfrist von sechs Monaten vorsieht.

Grundsätzlich sind die Kriterien für ein deutsches Gebrauchsmuster die gleichen wie für ein Patent: Für einen wirksamen Schutz muss die Erfindung neu sein, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sein. Die wesentlichen Unterschiede zu einem Patent bestehen darin, dass die Anmeldung nicht auf die Erfüllung der geforderten Kriterien geprüft wird und keine Verfahren geschützt werden können. Außerdem beträgt die Laufzeit des deutschen Gebrauchsmusters maximal 10 Jahre (im Vergleich zum Patent, das bis zu 20 Jahre gültig ist).

Eine Beschreibung oder Verwendung, die innerhalb von sechs Monaten vor dem Tag der Einreichung der Anmeldung (oder dem Prioritätstag) vorgenommen wird, gilt jedoch nicht als Stand der Technik, wenn diese auf der Ausarbeitung des Anmelders beruht. Das heißt, für die eigenen Offenlegungen des Anmelders (oder seines Rechtsvorgängers) gibt es eine Neuheitsschonfrist von sechs Monaten. Darüber hinaus ist eine öffentliche Vorbenutzung nur dann relevant, wenn sie in Deutschland stattgefunden hat.

Darüber hinaus kann ein deutsches Gebrauchsmuster auch aus einer anhängigen Patentanmeldung mit Wirkung für Deutschland abgezweigt werden, d.h. aus einer deutschen, europäischen oder PCT-Anmeldung (für die beiden letzteren nur, wenn Deutschland benannt ist). Die Abzweigung des Gebrauchsmusters kann innerhalb von 2 Monaten nach Ablauf des Monats erfolgen, in dem die Anhängigkeit der Anmeldung endet (z.B. kann das Gebrauchsmuster bis zum 31. März abgezweigt werden, wenn die dem Gebrauchsmuster zu Grunde liegende Anmeldung am 03. Januar als zurückgezogen gilt). Ein solches abgezweigtes Gebrauchsmuster genießt den Anmeldetag und den Prioritätstag der Anmeldung, auf die es sich stützt.

Damit ist es möglich, auch nach der Veröffentlichung Schutz für eine Erfindung zu erhalten, sofern innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung eine Anmeldung eingereicht wird und ein auf dieser Anmeldung beruhendes Gebrauchsmuster innerhalb der entsprechenden Fristen eingereicht wird. Beispiele hierfür sind: (i) das Gebrauchsmuster wird innerhalb von 6 Monaten nach der Veröffentlichung eingereicht; (ii) eine Patentanmeldung wird innerhalb dieser Zeit eingereicht und das Gebrauchsmuster beansprucht die Priorität der Patentanmeldung; oder (iii) ein Gebrauchsmuster wird aus einer solchen Anmeldung abgeleitet. Neben der Neuheitsschonfrist sind Gebrauchsmuster auch deshalb vorteilhaft, weil sie relativ geringe Kosten verursachen und lediglich ein kurzes Registrierungsverfahren von nur wenigen Monaten erfordern. Für ein Gebrauchsmuster besteht aber ein größeres Risiko, dass es aufgrund der fehlenden Prüfung angegriffen wird und womöglich auf Grund der fehlenden materiellen Prüfung vor der Eintragung für ungültig erklärt wird.

In jedem Fall bietet Euch das Gebrauchsmuster unter den genannten Voraussetzungen die Möglichkeit, Eure Erfindung in Deutschland (und damit im größten Markt Europas) zu schützen, auch wenn Ihr die Erfindung bereits veröffentlicht habt.

Bei weiteren Fragen zu diesem Thema oder wenn Ihr Beratung zu einer bestimmten Erfindung wünschen, stehen wir Euch gerne zur Verfügung. Bitte teilt uns auch mit, wenn Ihr von anderen Rechtsordnungen in Europa wisst, in denen es eine entsprechende Neuheitsschonfrist gibt. Ihr erreicht uns per E-Mail an mail@stellbrink-partner.com oder telefonisch unter +49-89-41112880. Wir sind immer gerne für Euch da!